Von Wolfgang-Peter Zingel
Südasien-Institut der Universität Heidelberg,
Abteilung Internationale Wirtschafts- und Entwicklunspolitik
Manuskript abgeschlossen: März 2004. Eine kürzere Fassung
erscheint in "Munzinger-Archiv /
Internationales Handbuch
- Länder aktuell", Ravensburg
Bevölkerung:
Die Einwohnerzahl wurde für 2002 offiziell auf 19,007 Mio.
geschätzt, das ergibt
eine Bevölkerungsdichte von 303 Einw./qkm. 2001 konnte erstmals
seit 1981 wieder eine
Volkszählung durchgeführt werden. In den Nord- und
Ost-Provinzen jedoch nur teilweise; hier
wurde die Einwohnerzahl geschätzt (insgesamt: 18,732 Mio.).
Detaillierte Ergebnisse liegen nur
für die enumerierte Bevölkerung (16,865 Mio.) vor; bei den
Angaben für die ethnische und
Religionszugehörigkeit bewirkt das Fehlen von Angaben für die
Hauptsiedlungsgebiete der meist
hinduistischen Tamilen jedoch überhöhte
Bevölkerungsanteile der meist buddhistischen
Singhalesen, so dass hier immer noch die Verteilung von 1981
heranzuziehen ist. Die
Bevölkerung ist ethnisch gemischt und zumeist aus indo-arischen
und dravidischen
Bevölkerungselementen zusammengesetzt. Als Folge des
jahrzehntelangen Bürgerkrieges haben
Hunderttausende von Tamilen ihre Heimat verlassen: nach UN-Angaben gab
es 2001 683.000
Flüchtlinge im Lande (internally displaced) und 122.000
Flüchtlinge im Ausland. Die
Volkszählung von 1981 ergab folgende Zusammensetzung der
Bevölkerung (Vergleich mit 1971):
Bevölkerungs- |
1971 |
1971 |
1981 |
1981 |
Singhalesen |
9.131 |
72,0 |
10.980 |
74,0 |
Sri Lanka-Tamilen |
1.424 |
11,2 |
1.887 |
12,7 |
Indien-Tamilen |
1.175 |
9,3 |
819 |
5,5 |
Moors |
855 |
6,7 |
1.047 |
7,0 |
Malaien |
43 |
0,3 |
47 |
0,3 |
Burgher |
45 |
0,4 |
39 |
0,3 |
Sonstige |
16 |
0,1 |
28 |
0,1 |
Gesamt |
12.690 |
100 |
14.847 |
100 |
Quelle: Statistical Pocket Book 1992, S. 13-14.
Singhalesen wie Tamilen, die beiden wichtigsten Volksgruppen der Insel, wanderten schon vor der Zeitwende ein: der Legende nach kamen die aus Nordindien stammenden Singhalesen im 5. Jh. v. Chr.; ob bereits zu diesem Zeitpunkt Tamilen vom benachbarten Festland auf Sri Lanka Fuß gefasst hatten, ist nicht klar; in den folgenden Jahrhunderten kam es jedenfalls zu verstärkter Siedlung und der Begründung eigener Staaten; die Nachfahren dieser Siedler werden heute als Sri Lanka-, Ceylon- oder Jaffna-Tamilen bezeichnet. Die britischen Kolonialherren warben seit den 30er Jahren des 19. Jh. im heutigen Tamil Nadu Arbeiter für ihre Plantagen (Kaffee, später Tee) an, deren Nachfahren heute als Plantagen-, Berg- oder Indien-Tamilen bezeichnet werden. Der politische Status der Indien-Tamilen war vor wie auch nach der Unabhängigkeit ungeklärt, und erst das 1964 mit Indien vereinbarte "Repatriierungsabkommen", 1988 endgültig durch die Einbürgerung aller verbliebenen Indien-Tamilen hinfällig geworden, zielte auf die Lösung der Staatsbürgerschaftsfrage der als staatenlos geltenden Indien-Tamilen – entweder durch Einbürgerung in Sri Lanka oder durch Rückwanderung nach Indien (beides nach freier Entscheidung der Betroffenen, jedoch mit größeren bürokratischen Formalitäten verbunden); als Ergebnis ist der Anteil der Indien-Tamilen seit 1953 von 12,0 % auf 5,5 % zurückgegangen. Trotz der ethnischen Verwandtschaft bestehen kaum Beziehungen zwischen den beiden Gruppen von Tamilen, die außerdem räumlich getrennt leben: die Sri Lanka-Tamilen überwiegend im Norden und Nordosten (vor allem auf der Halbinsel Jaffna), die Indien-Tamilen im Zentralen Bergland (Teeplantagen). Viele Tamilen empfinden sich aufgrund diskriminierender Gesetzgebung als "Staatsbürger zweiter Klasse" im Vergleich zu den sich als Staatsvolk verstehenden Singhalesen. Diese Situation hat zu dem Bürgerkrieg im Norden und Osten geführt, an der sich die Indien-Tamilen nicht beteiligten. Bei den meist muslimischen Moors handelt es sich um Nachfahren von Einwanderern aus Arabien und Indien sowie um einheimische Konvertiten zum Islam; bei der Volkszählung 2001 nahm der Anteil der Moors und der Muslimen zu Lasten der anderen Bevölkerungsgruppen leicht zu. Die Burgher (Burghers and Eurasians) sind meist Christen. Muslimen und Christen sind häufig Tamilen, wodurch der Anteil der Tamil-Sprecher größer ist, als der der Hindus.Die Insel hat – bei fast doppelter Größe und Einwohnerzahl – eine Bevölkerungsdichte wie Baden-Württemberg; die jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung im Zeitraum 1981 bis 2001 von 1,2 % ist deutlich geringer als die aller anderen Länder mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Entwicklungsstand. Räumlich ist die Bevölkerung auf den vom Klima (feucht) für die Landwirtschaft bevorzugten Südwesten konzentriert, während der größere Teil der Insel nur dünn besiedelt ist.
Die Wedda, die Ureinwohner, sollen, je nach Quelle, eintausend oder weniger Personen umfassen; sie lassen sich in drei Gruppen gliedern. Die weit verstreut in ihrem früheren Rückzugsgebiet zwischen den Ost-Abhängen des Gebirges und dem Meer lebenden Weddas haben sich den Singhalesen, auch sprachlich, weitgehend angeglichen und betreiben Ackerbau. Die zahlenmäßig vermutlich größte Gruppe lebt an der Küste zwischen Trincomalee und Valaichchenai vor allem vom Fischfang und spricht Tamil. Im Annuradhapura-Distrikt siedelten weitere Wedda (Wanniya) als Singhalesisch sprechende Reisbauern. Der Bau von Staudämmen und die Anlage eines großen Nationalparks schränken den Lebensraum der einstigen Jäger und Sammler ein und machen ihre Wirtschaftsform mehr und mehr unmöglich. Ethnologen interessieren sich schon lange für sie; seit 1985 sind sowohl die UN-Menschenrechtskommission wie auch die "Gesellschaft für bedrohte Völker" um ihre Unterstützung bemüht.CBSL: Annual Report 2002; DCS: Summary Findings of Demographic and Health Survey, 2002; DCS: Census of Population and Housing 2001: Preliminary Results; DCS: Statistical Abstract 2002; UNDP: Human Development Report 2003; Brockhaus, die Enzyklopädie, 19. Aufl.
Sozialgesetze: Die Sozialen Hilfsdienste (Social Assistance Services) gewähren Unterstützungen bei Katastrophen, Krankheit und Mutterschaft. Von dieser Pflichtversicherung, die den Einkommensausfall in o.a. Fällen deckt, sind theoretisch alle Lohn- und Gehaltsempfänger erfasst, doch wurde die Versicherung in der ersten Phase nur innerhalb des am stärksten industrialisierten Colombo-Distrikts zur Anwendung gebracht. Witwen- und Waisenrenten, Arbeitslosenunterstützung und Familienbeihilfen sind noch nicht allgemein eingeführt. Die Altersrenten- und Invalidenversicherung beruht auf Unterstützungskassen, die Pauschalrenten an einen begrenzten Arbeitnehmerkreis zahlen. Für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes besteht ein besonderes Rentensystem. Arbeitsunfälle fallen unter die Tätigkeit der Workmen's Compensation.Gesundheitswesen: Die medizinische Versorgung in Sri Lanka (die kostenlos erfolgt) ist im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern gut: es gibt eine recht große Anzahl von Krankenhäusern, Ambulanzen (dispensaries), Ärzte und Pflegepersonal. Wieder im Aufschwung begriffen ist die traditionelle Heilkunde (Ayurveda). In ausgewählten Distrikten wurden Freiwillige (health workers) im Rahmen eines Programms der Vereinten Nationen (UNFPA) ausgebildet. Sie unterstützen die Hebammen, beraten die Mütter und führen einfache Behandlungen durch. 81 % der Kinder sind gegen die sechs Haupt-Ansteckungskrankheiten geimpft. Die Malaria, die seit 1978 wieder vermehrt auftritt (1.100 Fälle je 100.000 Einw.), wird verstärkt bekämpft. Die im 19. Jh. außer Gebrauch gekommene, seit 200 v. Chr. in Ceylon bekannte Akupunktur wird wiederbelebt, vor allem bei Geburtshilfe und Asthma (700 Akupunkturärzte).
Nach WHO-Angaben (2004) ist die Lebenserwartung der Frauen mit 74,1 Jahren wesentlich höher als die der Männer mit 66,6 Jahren. Die Kindersterblichkeit der Jungen ist mit 22 je 1.000 Geburten höher als die der Mädchen mit 18 je 1.000.
Nach Angaben der UNDP sind 23 % der Bevölkerung(1998-2000) unterernährt, 29 % der Kinder untergewichtig, 14 % zu klein für ihr Alter und bei 17 % der Neugeborenen ist das Geburtsgewicht zu gering. Dafür haben 94 % der Einw. Zugang zu verbesserten sanitären Anlagen, 77 % zu aufbereitetem Wasser und mehr als 95 % Zugang zu Medikamenten zu erschwinglichen Preisen; auf 100. 000 Einwohner kommen 97 Ärzte.
Zahlen zum Gesundheitswesen: 2002 gab es 605 staatliche Krankenhäuser mit 59.781 Betten und 7.459 Ärzten, dazu 175 private Krankenhäuser mit 8.300 Betten und 49 Ayurvedische Krankenhäuser mit 2.567 Betten. Dazu kommen 1.295 praktische Ärzte (assistant medical practitioners), 16.455 Ayurvedische Ärzte und 16.134 Krankenschwestern. Die Kindersterblichkeit beträgt (2001) 19 je 1.000 Lebendgeburten, 1970 waren es noch 100 gewesen. Die Müttersterblichkeit (90 je 100.000 Lebendgeburten) und die Fertilitätsrate (2000-2005: 2,0 Kinder) sind geringer als sonst in armen Ländern. 23 % der Bev. haben keinen Zugang zu aufbereitetem (improved) Trinkwasser. Für das Gesundheitswesen werden nach WHO (2004) 3,6 % des BIP aufgewendet, davon 51% von Privaten und 49% vom Staat.
CBSL: Annual Report 2002, pp. 121-123; DCS: Summary Findings of Demographic and Health Survey, 2002; UNDP: Human Development Report 2003; WHO: Selected Health Indicators, 2004.Ärzte und medizinisches Personal
|
1990 |
1994 |
2002 |
Ärzte |
2.440 |
4.047 |
7.459 |
Krankenschwestern |
8.957 |
13.060 |
16.134 |
Anmerkung:
Ohne Angaben für die Nord- und Ostprovinzen.
Quelle: Statistical Pocket Book 1996, p.
41; CBSL: Annual Report 2002, p. 121.
Zusammensetzung
der Bevölkerung nach Religionen
Religionsgemeinschaft |
Bevölkerungsanteil (%) |
vor allem |
Buddhisten |
69,3 |
Singhalesen |
Hindus |
15,5 |
Tamilen |
Muslime |
7,6 |
Moors |
Christen |
7,6 |
Burghers |
Sonstige |
0,1 |
|
Quelle: Census 1981
Es gibt rund 53.000 buddhistische Mönche (bhikkhus), die in etwa 6.000 Tempeln leben.Die Christen gehören an: (überwiegend) der Römisch-Katholischen Kirche, die sich in 1 Erzbistum (Colombo) und 5 Suffraganbistümer gliedert, der Church of Ceylon, der Methodist Church of Sri Lanka, der Presbyterian Church of Sri Lanka und der Church of South India.
Volksbildung: Sri Lanka nimmt eine herausragende Position im Bildungswesen gegenüber den anderen Ländern mit einem niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstand ein: nach Angaben von UNDP konnten 2001 92 % der Erwachsenen (89 % der weiblichen Erw.) lesen und schreiben.Im weitgehend vom englischen Vorbild geprägten Ausbildungssystem wurde die Schulpflicht 1978 von 6 auf 5 Jahre reduziert. An die primary schools schließen sich die junior secondary schools an (Klassen 6-9) und daran die senior secondary schools (Klassen 10-11). Die Universität erfordert eine Aufnahmeprüfung. Nach einem gemischten Quotensystem werden dabei Begabung, Einwohnerzahl und Entwicklungsstand des Heimatdistrikts berücksichtigt. Der Unterricht in staatlichen Schulen ist unentgeltlich. Schüler und Studenten der Primär-, Sekundär- und Tertiärstufe machen (2001) 63 % der entsprechenden Jahrgänge (weibl. Bev.: 64 %) aus.
Die nach 1948 versuchte Zurückdrängung des Englischen im Schulwesen hatte zu einer merklichen Benachteiligung der englischsprechenden Absolventen geführt. Englisch ist daher und wegen des Bedarfs für Außenwirtschaft, Tourismus und Verwaltung seit 1978 wieder Pflichtsprache. Die Privatschulen erheben – trotz offiziellen Verbotes – Schulgebühren. Der verbreiteten Kritik an einem Mangel an technisch-naturwissenschaftlich ausgebildeten Schulabgängern und einem ein Überangebot an geisteswissenschaftlich ausgebildeten Universitätsabgängern, stehen die aktuellen Zahlen entgegen: Von 8.896 Graduierten des Jahres 2001 hatten 36,6 % Geisteswissenschaften, 28,7 % Wirtschafts- und Rechtswissenschaften und 34,7 % Natur- und Ingenieurwissenschaften studiert. Der Anteil der Bildungsausgaben (2002: 2,4 % des BIP) steigt wieder.CBSL: Annual Report 2002, pp. 1223-126.
Daten zum Bildungswesen 2002
Schulen (Anzahl) |
10.505 80 |
Schüler (Anzahl in
1.000) |
4.178 |
Lehrer (Anzahl in 1.000) |
201 191 9 |
Schüler je Lehrer |
21 |
Universitäten (Anzahl)
|
13 3.390 |
Quelle: CBSL: Annual Report 2003, pp. 123-126.
Anmerkungen, Ergänzungen, Fragen, Korrekturen an: h93@ix.urz.uni-heidelberg.de
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