Aktuelles
Islamische Predigtversammlungen sind eine zentrale Form öffentlicher
Frömmigkeit und Rede im heutigen Bangladesch. Die sogenannten waz
mahfils sind seit dem 19. Jahrhundert in Bangladesch sehr weit
verbreitet und an ihnen teilzunehmen Teil des täglichen Lebens geworden
ist. Trotz ihrer Bedeutung für den Aufstieg populistischer Politik
werden die Predigten oft als islamistische Propaganda missachtet und von
der Forschung kaum aufgegriffen.
Dieses Buch bietet einen noch
nie dagewesenen Zugang zu diesen Predigtversammlungen. Auf Grundlage von
Feldforschung und Interviews analysiert Max Stille ein Archiv von
mehreren Dutzend Predigten. Er zeigt, wie die Volkspredigten die Rollen
und Regeln des Sagbaren, Vorstellbaren und Fühlbaren formen. Waz mahfils
sind eine partizipatorische Praxis der Arbeiterklasse, in denen sich
religiöser, politischer und poetischer Konsens überschneiden. Islamische
Lehren und Moralvorstellungen sind Teil der dramatischen Erzählungen,
der Vokalkunst und der emotionalen Kommunikation, die von Immersion und
Mitleiden bis zum Lachen über politische Witze und Parodien reicht.
Stille schlägt neue Zugänge zur musikalischen und performativen Poetik
islamischer Rede vor und fordert eine Erweiterung der Konzepte der
Bürgerbeteiligung und des öffentlichen Diskurses sowie ein Überdenken
der Rolle der Sinne und islamischer religiöser Ästhetik.