Wolfgang-Peter Zingel
Südasien-Institut der Universität Heidelberg, Abteilung Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik

Ausblick auf Pakistan 1998-99
In: Torsten Störmer (Hrsg.): Investmenthandbuch Asien 1998/99. Fakten und Hintergründe aus Wirtschaft und Politik. Ein internationaler Investmentführer. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. 1998. pp. 273-276.
 

Pakistan hat ausländische Investoren in den vergangenen Jahren intensiv umworben, sie aber zugleich durch wirtschaftspolitischen Kurswechsel, innenpolitische Turbulenzen und außenpolitische Spannungen abgeschreckt. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Privatisierung befindet sich noch immer ein großer Teil der Wirtschaft (Industrie, Banken) in der Hand des Staates, Gelegenheit, für die besonders in Pakistan beklagte Korruption - trotz einiger Deregulierung. Der überwältigende Wahlsieg von Premierminister Nawaz Sharif im Frühjahr 1997 bot die Gelegenheit längst überfällige Reformen durchzuführen; die Kontakte zur indischen Regierung besserten sich derart, daß kurzfristig Hoffnung auf nachhaltige Entspannung bestand. Statt dessen sah sich Nawaz Sharif in einen Machtkampf mit dem Präsidenten und dem Obersten Bundesrichter verwickelt; nach dem Wahlsieg der BJP in Indien im Frühjahr 1998 verschlechterten sich die Beziehungen wieder: Beide Staaten weisen unverhohlen auf ihre nukleare Bewaffnung hin; Pakistan testete erfolgreich eine (eigene ?) Mittelstreckenrakete. Indien verfügt über derlei Trägersysteme seit einiger Zeit, so daß mit einer Verringerung der pakistanischen Verteidigungsausgaben (mehr als 6 v.H. des BIP) und der daraus resultierenden hohen Staats- und Auslandsverschuldung nicht zu rechnen ist.

Wirtschaftsstruktur: Mehr als die anderen Staaten Südasiens ist Pakistan bei den Exporten weiterhin auf Agrarerzeugnisse (Baumwolle, Reis) und bei der Finanzierung der Importe auf Kredite und die Heimüberweisungen der Arbeiter im Ausland angewiesen. Die Baumwollgruppe ist noch immer der wichtigste "Devisenbringer": neben Rohbaumwolle im Lande produzierte Garne, Stoffe und Bekleidung. Risiken liegen weniger in der Materialversorgung (Verfügbarkeit von Devisen, Preise) als auf den Absatzmärkten (Konjunktur, Konkurrenz) und dem Arbeitsfrieden in der Produktion. Vorwürfe wegen des "social dumping" (Kinderarbeit) betreffen vor allem die Fertigung von Teppichen und Sportartikeln.

Infrastruktur: Das Hubco-Kraftwerk (bei Karachi) war eines der ersten und größten in Asien, das von privaten Investoren errichtet wurde; der Verrechnungspreis ist Gegenstand einer heftigen Kontroverse. Die Stadtwerke Karachi (KESC) beklagen Milliarden Rupees an ausstehenden Stromgebühren: Entsprechend schwierig gestaltet sich die Privatisierung. Mit privaten Mitteln wurde die Autobahn von Lahore nach Rawalpindi gebaut; sie soll bis Peshawar weitergeführt werden. Pläne bestehen für den Bau einer Pipeline von Zentralasien an das Arabische Meer; sie sind bisher an der unübersichtlichen Lage in Afghanistan gescheitert.

Banken: Die in den 70er Jahren verstaatlichten Banken wurden zum Teil reprivatisiert, in diesem Zusammenhang wurde der Vorwurf erheblicher Unregelmäßigkeiten erhoben. Kritisch sind die vielen notleidenden Kredite, für die weder Zinsen noch Amortisation gezahlt werden.

Portfolioinvestitionen: Der Wertpapiermarkt ist noch relativ klein.

Direktinvestitionen: Ein vorsichtiges, langfristiges Engagement, möglichst mit einem inländischen Partner, könnte durchaus interessant sein, bei der Enge des Marktes vor allem mit Exportorientierung.

Natürliche Risikofaktoren:
Die Abhängigkeit der Landwirtschaft, deren Bedeutung weit über ihren Anteil von etwa einem Viertel am BIP hinausgeht, von der Witterung konnte durch die großen Rückhaltebecken, Kanäle und Rohrbrunnen verringert werden; wegen der nach wie vor hohen Anteile von Agrarprodukten am Export betrifft sie aber die Außenwirtschaft.
 

Ausländische Risikofaktoren:
a) Politik der Nachbarländer: Die Beziehungen zu Indien und Afghanistan sind seit der Staatsgründung gespannt (Kashmir, drei Kriege mit Indien), militärisch versucht Pakistan mit Indien mitzuhalten; im Frühjahr 1998 gilt die indisch-pakistanische Grenze als potentieller Schauplatz einer nuklearen Auseinandersetzung (The Times) . Die Beziehungen zu Afghanistan sind besser seit die angeblich von Pakistan unterstützten Taliban den größten Teil des Landes kontrollieren.
b) Die Entwicklung auf den Weltmärkten: (1) Exporte: Die Textilexporte gehen in die Industriestaaten und die asiatischen Schwellenländer. (2) Importe: Pakistan ist auf Importe von Energie (Mineralöl), Ausrüstungsgütern und - je nach Ernte - Nahrungsmitteln abhängig.
c) Abhängigkeit von Auslandshilfe: Exporterlöse und Heimüberweisungen der Arbeiter im Ausland reichen zur Finanzierung der Importe nicht aus. Pakistan ist deshalb von Auslandshilfe abhängig, die vom Umfang geringer und von den Konditionen ungünstiger wird. Ohnehin haben die USA ihre Hilfe wegen der pakistanischen Atompläne zum Teil suspendiert; einer Einstufung als "terroristischer Staat" und weiteren Sanktionen entkam Pakistan nur knapp.
d) Abhängigkeit von ausländischen Arbeitsmärkten und dem Ausgabenverhalten der Arbeiter im Ausland: Die Arbeitsmarktpolitik in den Golfstaaten, in Europa und Nordamerika wird zunehmend restriktiver. Die Arbeiter im Ausland nutzen auch immer mehr die Möglichkeit, ihr Geld dort anzulegen.
e) Die Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten ist von zunehmender Bedeutung, weil Pakistan immer weniger hoffen kann, Kredite von staatlichen oder staatsnahen Stellen und /oder private, aber staatlich abgesicherte Kredite, langfristig, zu Vorzugskonditionen und mit Aussicht auf Schuldenerlaß zu bekommen. Die Restriktionen im internationalen Zahlungsverkehr wurden gelockert.

Inländische Risikofaktoren:
a) Instabile politische Verhältnisse: Weniger die oppositionelle PPP als innerparteiliche Rivalitäten beschäftigen die Regierung; die politischen Auseinandersetzungen werden immer wieder gewalttätig ausgetragen.
b) Wirtschaftspolitik: Trotz einiger Liberalisierung der Wirtschaft ist der Staat noch immer der wichtigste Unternehmer.
c) Ungelöste soziale Probleme: Eine ungebremste Landflucht und Urbanisierung vergrößern die Arbeitslosigkeit, Armut und Wohnungsnot in den Städten.
d) Humankapital: Trotz aller Bekundungen (Social Action Programme) ist Pakistan im internationalen Vergleich eines der Schlußlichter in puncto Erziehungswesen; es herrscht Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auf allen Ebenen.