Wolfgang-Peter Zingel
Südasien-Institut der Universität Heidelberg, Abteilung Internationale Wirtschafts-und Entwicklungspolitik

NEPAL - Sozialstruktur

Bevölkerung: Gemäß dem Zensus von Juni 1991 hatte Nepal rund 18,5 Mio. Einwohner, davon 9,22 Mio. männlich und 9,23 Mio. weiblich [SYB97 : 1] und - bei einer Fläche von 147.181 km2 - eine Bevölkerungsdichte von 126 Einw. pro km2 [SYB97 : 6] Für 1998 wurde eine Bevölkerungszahl von 22,2 Mio. und eine Bevölkerungsdichte von 151 Einw. pro km2 erwartet [FNCCI 1998 : 15].

Die Bevölkerungsverteilung ist sehr ungleich. Nach ökologischen Zonen unterschieden, leben - Stand 1991 - im Hochgebirge (mountain) 7,8 %, im der Bergland (hill) 45,5 % und im Tiefland (terai) im Süden 46,7 % der Bevölkerung. Im Blick auf die Entwicklungsregionen weist - Stand 1991 - die Zentrale Entwicklungsregion mit einer Bevölkerung von 6,18 Mio. Einwohnern - einem Drittel der Gesamtbevölkerung - und rund 220 Einw. pro km2 die größte Bevölkerungsdichte auf; die niedrigste Bevölkerungszahl hat mit rund 1,68 Mio. die Fernwestliche Entwicklungsregion, und die geringste Bevölkerungsdichte hat mit rund 58 Einw. pro km2 die Mittelwestliche Entwicklungsregion. Auf die Bergregion entfällt nur rund ein Drittel des nutzbaren Ackerlandes, auf einen Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche kommen teilweise bis zu 1.500 Personen. Dichte Ballungen sind längs der Täler anzutreffen.

Die dem Terai und inneren Terai zugehörigen ethnischen und Kastengruppen machen annähernd ein Drittel (30,9 % bzw. 1,1 %) der Gesamtbevölkerung aus, die der Bergregion zuzurechnenden derartigen Gruppen rund zwei Drittel. Migration (Binnen- und Auslandsmigration) hat in beträchtlichem Maße stattgefunden. Seit Mitte der 70er Jahre haben mangelnde Arbeitsmöglichkeiten zu verstärkter Abwanderung in die Städte geführt; dort wohnten 14 % 1995 [FCCI 1998 : 141]; sie leiden unter der zunehmenden Umweltverschmutzung und vor allem der qualitativ wie quatitativ unzulänglichen Trinkwasserversorgung. Die Einwohnerzahl der Städte nahm im Zeitraum 1980  bis 1995 um jährlich 7,8 % zu [FNCCI 1998 : 141]. Die ethnische und kastenmäßige Vielfalt ist groß. Gemäß dem Zensus von 1991 setzt sich die Bevölkerung aus mehr als 26 ethnischen und 30 Kastengruppen zusammen, wobei die ethnischen Gruppen 35,5 % und die Kastengruppen 56,4 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Der Name Gurkha meint die - hinduistischen - Eroberer des Kathmandutals gegen Mitte des 18. Jhs., die seither die Führungsschicht stellen und deren Sprache das Nepali ist. Die in britischen Diensten stehende Söldnergruppe der Gurkha setzt sich aus fast allen Stämmen zusammen. Die Rückgabe Hongkongs an China 1997 bewirkte bereits eine weitgehende Schließung der eigens für Gurkha-Soldatenkinder in Hongkong bestehenden Schulen, und für viele Gurkhas bedeutete sie die Entlassung aus der brit. Armee. Zahlreiche Gurkhas sind um andere Arbeit in Hongkong bemüht, nicht zuletzt wegen einer Fortsetzung der Ausbildung ihrer Kinder.

Die Zahl der seit Dez. 1991 aus Bhutan eingeströmten, ethnisch nepalesischen Flüchtlinge war 1994 auf rund 100.000 angestiegen. Sie sind in acht Lagern im östl. Nepal untergebracht. Die Gespräche zwischen Vertretern der Regierungen von Nepal und Bhutan brachten keine Lösung der Angelegenheit. Die Zahl der tibetischen Flüchtlinge in Nepal wurde 1994 auf 18.000 beziffert.

Sprachen: Im statistischen Jahrbuch weiden (Zensus 1991) 32 Muttersprachen (und "sonstige") ausgewiesen, sie sind in vier Hauptfamilien gegliedert: indo-arische, tibeto-birmanische, Munda- und dravidische Sprachen. Zur erstgenannten Hauptfamilie gehört die von 52 % der Gesamtbevölkerung gesprochene Staatssprache Nepali bzw. Parbatiya in Devanagivi-Schrift, insgesamt zählen zu der Gruppe elf Sprachen und Dialekte, die von rund 80 % der Gesamtbevölkerung gesprochen werden. Als Umgangssprachen kommen u. a. auch Maithili (11 %) und Bhojpuri/Bihari (8 %) sowie bei der Oberschicht Englisch zur Anwendung.

Bevölkerungsstatistik: Die Bevölkerungszahl wuchs im Zeitraum 1985 bis 1993 um 2,6 % jährlich, die Geburten- und die Sterberaten wurden 1998 mit 3,7 % und 1,2 % und die Lebenserwartung mit 57 Jahren angegeben [FCCI 1998 : 15]. Nach offiziellen Angaben (1997) wächst die Bevölkerung jährlich um 2,1 v.H. [SYB 1997 : iv]. Der Anteil der Bevölkerung unter 15 Jahren an der Gesamtbevölkerung lag 1991 bei 42 % [STB97 : 1].

Gesundheitswesen: Der im allgemeinen unbefriedigende Gesundheitszustand und die geringe Lebenserwartung haben vorrangig ihre Ursachen in Überbevölkerung, Umweltbelastung, verseuchtem Wasser, Unter- und Mangelernährung und ansteckenden Krankheiten. Die Regierung ist bestrebt, bis zum Jahre 2000 der gesamten Bevölkerung ein Mindestmaß an grundlegenden Gesundheitsdiensten mittels integrierter Gesundheitsprogramme zugänglich zu machen. Im Sinne dieser Politik wurde Anfang der 90er Jahre mit der Einrichtung von Gesundheitsstationen (sub-health posts) in ländlichen Gebieten begonnen. In diesem primären Gesundheitsfürsorgesystem kommt dem health worker bzw. village health worker, dem der community health worker zur Seite steht eine Schlüsselposition zu.

Die Kindersterblichkeit auf (1995) 11,4 % geschätzt [FNCCI 1998 : 142]. Sie ist hauptsächlich auf Diarrhoe-(Durchfall-)Krankheiten zurückzuführen. Zu den verbreitetsten Krankheiten zählen vor allem Erkrankungen des Magen- und Darmkanals, parasitäre bzw. Wurmkrankheiten, Tuberkulose, Schilddrüsenerkrankungen, Augenkrankheiten, ferner Lepra; in der Bekämpfung von Malaria wurden Erfolge erreicht; die Pocken wurden vollständig ausgerottet. Mitte Sept. 1995 waren 372 Aids-Fälle registriert, indessen wird die Zahl solcher Fälle von einschlägigen Kreisen bereits in die Tausende geschätzt/projiziert.

Medizinische Einrichtungen: Es gibt (1995/96)  74 staatliche Krankenhäuser , einschließlich aller andren Krnakenhäuser waren es 1991/92 114 gewesen mit (1990/91) 4.848 Krankenhausbetten; dazu (1995/96) 17 Gesundheitszentren, 765 (19991/92: 114) 816 Gesundheitsposten und 175 ayurvedischen Dispensarien (Arzneiausgaben); sodann in den staatlichen Krankenhäusern 873 Ärzte, 2699 Krankenschwestern sowie 449 Kaviraj Vaidyas, d.h. ayurvedische Ärzte [SYB 1997 : 188-192]. 1990 kam ein Arzt auf 16.600 Einwohner [FNCCI 1998 : 142]. Bei den 50 in Nepal (zumeist in den Städten) praktizierenden Zahnärzten kommt derzeit auf 400.000 Einw. ein Zahnarzt. Für das Gesundheitswesen wurden 1990 4,5 % BIP aufgewendet.

Recht und Justiz: Die Gerichtsbarkeit ist nach der Verfassung vom 9.11.1990 unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Gerichtswesen ist dreistufig: An der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, der gleichwohl ein Gericht vollen Rechts ist, darunter rangieren die Appellations- und die Distriktsgerichte; aus der Hierarchie ist lediglich der Militärgerichtshof ausgeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof besteht aus einem Hauptrichter und 14 weiteren Richtern. Der Hauptrichter wird vom König auf Vorschlag des Constitutional Council ernannt (auf sieben Jahre), alle anderen Richter der Hierarchie werden auf Vorschlag des Judicial Council ernannt. Jeder Bürger hat das Recht, den Obersten Gerichtshof zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze anzurufen.

Religion: Der Hinduismus und in geringerem Maße Buddhismus und Islam bestimmen weitestgehend die Lebens- und Denkweise des Volkes. Der Hinduismus hat in dem Hindukönigreich Nepal die dominierende Position; er ist die Religion der Königsfamilie, und der König wird als eine Inkarnation der Hindu-Gottheit Vishnu angesehen und verehrt. Auf die verschiedenen Religionen verteilt sich (Volkszählung 1991) folgende Anhängerschaft: Hinduismus 86,5 %; Buddhismus 7,8 %; Islam 3,5 %; Kirati (Mischung aus hinduist. und lamaist. Vorstellungen) 1,7 %; Christentum 1991 0,17 %; Jainismus 1991 0,04 % [SYB97 : 13]. Nach anderen Angaben (Schätzungen) wurde die Gesamtzahl der Christen 1990 mit 50.000, die Zahl der Katholiken 1993 mit 4.443 beziffert. 1990 gab es 106 katholische Priester und Nonnen. Nach der Verfassung von 1990 (Artikel 19) unterliegt die Religionsausübung dem Hindu-Staat-Prinzip und entspricht ganz dem hinduistischen Verständnis von Religion (in Nepali dharma). Jeder hat das Recht zum Bekenntnis und zur Ausübung der ererbten Religion in ihrer traditionellen Weise; Missionierung und freier Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft sind verboten.

Volksbildung: Das gegenwärtige dreistufige Ausbildungssystem wurde 1971 etabliert. Es besteht aus einer fünfjährigen Grundschulausbildung (Primarstufe) mit Schulpflicht für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Die auf diese folgende, ebenfalls fünfjährige Sekundarstufe - ab elf Jahren - hat eine erste Phase von zwei und eine zweite von drei Jahren (untere bzw. obere Sekundarstufe). Für den Besuch der ersten bis sechsten Klasse besteht an den staatlichen Schulen Gebührenfreiheit. 1975 war die Einführung von Nepali als Unterrichtssprache erfolgt. Zielsetzungen der Schulpolitik der Regierung bis zum Jahre 2000 sind, im Primarbereich für alle im entsprechenden Schulalter befindlichen Kinder eine Grundschulsausbildung zu gewährleisten, stufenweise gebührenfreie Ausbildung auch für die Sekundarstufe weiter zu verwirklichen und die Analphabetenrate auf 33 % zu senken. Nach UNESCO-Schätzungen betrug der Prozentsatz der Erwachsenen-Analphabeten 1990 74,4 % (männl. 62,4 %; weibl. 86,8 %). Im gleichen Jahr, dem "Internationalen Jahr der Erziehung", begann die Regierung ein 12jähriges Alphabetisierungsprogramm, das auf acht Mio. Personen zwischen sechs und 45 Jahren abzielt. Zu Nepals speziell gegen den Bildungsnotstand bei Mädchen eingerichtetem Cheli-Beti-Programm sind neuerdings die sog. Bal-Shiksha-Schulen, die neunmonatige Grundbildungskurse bieten, hinzugekommen; bis 1997 sollen insgesamt rund 250.000 Mädchen bzw. Frauen und ebenfalls Jungen durch das Bal-Shiksha-Programm Lesen und Schreiben lernen. Im Haushalt 1994/95 waren 1,5 Mrd. NR oder 7,0 % aller Staatsausgaben für das Erziehungswesen veranschlagt.

Schulen: Im Primarschulbereich wurden im Jahre 1994 3,2 Mio. Schüler (davon 1,3 Mio. weiblich) an 21.102 Schulen von 81.544 Lehrkräften (davon 33.536 voll ausgebildet) unterrichtet; Schüler-Lehrer-Relation: 1:39 [SPB96 : 147]. Die Einschulungsrate von Kindern der betreffenden Altersgruppe wird bezüglich 1992/93 mit insgesamt 102 % (männl.: 121 %; weibl. 81 %) beziffert (Einschulungsraten über 100 % können sich ergeben sich, wenn Kinder erst später eingeschult werden). Im unteren Sekundarbereich wurden 1994 670.182 Schüler (davon 236.296 weiblich) an 4.739 Schulen von 15.358 Lehrkräften (davon 4.820 voll ausgebildet) unterrichtet; Schüler-Lehrer-Relation: 1:44. Im oberen Sekundarbereich wurden 1994 274.327 Schüler (davon 88.861 weiblich) an 2.482 Schulen von 13.820 Lehrkräften (davon 5.865 voll ausgebildet) unterrichtet; Schüler-Lehrer-Relation: 1:20 [SPB96 : 148-149]. Die Einschulungsrate bei Kindern im Sekundarschulalter wird für 1992/93 mit 36 % beziffert.

Hochschulen: Es gibt zwei staatliche Universitäten (die 1959 gegründete Tribhuvan-Universität in Kathmandu und die 1986 gegründete Mahendra Sanskrit Viswavidyalaya in Beljhundi, Dang) sowie eine private Universität. 1995/96 gab es  99.438 Universitätsstudenten, davon 1.974 in Ingenieurswissenschaften und 11.182 in Naturwissenschaften [SYB97 : 285-286].

Quellen:
FNCCI: Nepal and the world: a statistical profile. Kathmandu: Federation of Nepalese Chambers of Commerce and Industry.
SYB: Statistical year book of Nepal. Kathmandu: Central Bureau of Statistrics.
SPB: Statistical pocket book of Nepal. Kathmandu: Central Bureau of Statistrics.



Eine frühere Fassung erschien in Munzinger / IH-Länder aktuell. Ravensburg. Soziales und Kultur.


Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen: h93@ix.urz.uni-heidelberg.de


Weitere Informationen zu Nepal: Wirtschafts, Neure Literatur, Zeittafel

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