Wolfgang-Peter Zingel
Südasien-Institut der Universität Heidelberg, Abteilung Internationale Wirtschafts- und Entwicklungspolitik

Bucbesprechung, erschienen in: Asien. Deutsche Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur. Hamburg: Deutsche Gesellsfhaft für Asienkurnde. Nr. 78, Januar 2001. pp. 137-138. ISSN 0721-5231.

Martin Peter Houscht: Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit im interkulturellen Kontakt und Konflikt: Fallstudie Bangladesh. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier. 1999. 196 S. ISBN 3-88476-386-5. DM 39,50.
 

Daß Bangladesch, zumal in Deutschland, fast ohne Ausnahme nur als Entwicklungsland wahrgenommen wird, ist ebenso bedauerlich wie vorerst unabänderlich. Das vorliegende Buch bestätigt diese Regel, obwohl der Autor sein Bemühen um eine differenzierte Sicht bereits im Titel des Buches zum Ausdruck bringt. Danach geht es um Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit und um interkulturellen Kontakt und Konflikt. "Die vorliegende Arbeit verdeutlicht anhand einer Fallstudie zu Bangladesh, wie bedeutsam eine Strukturanalyse für das Aufspüren einer Entwicklungsbahn und das Verstehen des komplex-komplizierten Charakters von Entwicklung ist." (Rückseite). Der Autor war als "EZ-Fachkraft" (Vorwort) in einem Schweizer Projekt in Bangladesch tätig und erlebte dort, wie unterschiedliche Kulturen in Kontakt kommen und dabei auch in Konflikt geraten. Während er sich aber immer wieder explizit und implizit mit den theoretischen Konzepten der Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzt, läßt sich sein Kulturbegriff nur erahnen, selbst dort, wo "Kultur" in Kapitelüberschriften vorkommt (S. 121, S. 126). Es werden nämlich wenigstens drei "Kulturen" angesprochen: die der Kleinbauern als Zielgruppe des Projektes, die des nationalen und lokalen Projektmanagements und der einheimischen Bürokratie und die der ausländischen Berater.

Bei dem vorgestellten Projekt handelt es sich um das Shosho Godown Rin Prokolpo (SHOGORIP), das in den Jahren 1992 bis 1997 in der Nachfolge des Bangladesh Swiss Agricultural Project (BASWP) an ausgewählten Standorten durchgeführt wurde. Zielgruppe waren Kleinbauern, die traditionell unmittelbar nach der Ernte ihren Reis an die Händler verkauften, die ihrerseits von dem Preisanstieg in den Monaten bis zur nächsten Ernte profitierten. Um in den Genuß der ausgeprägten saisonalen Preisunterschiede zu kommen wurden im Rahmen des Projektes Lagerhäuser errichtet, in denen die Kleinbauern ihr Getreide lagern und bei den Banken beleihen konnten, um zu einem späteren Zeitpunkt von den höheren Preisen selbst zu profitieren. Daß dieses auf den ersten Blick überzeugende Konzept zu keinem Erfolg wurde, wird ausführlich und kenntnisreich dargestellt. Einer der Gründe lag außerhalb des Gestaltungsraumes des Projektes und war von den Projektplanern nicht unbedingt vorhersehbar: Durch die erfolgreiche Ausweitung des Winter-Reises (boro) unter Bewässerung konnte das Angebot in der Jahreszeit mit den bisher höchsten Preisen erhöht werden; weitere - vom Autor nicht diskutierte Gründe - waren der Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur, der Lagerkapazitäten und ein geschickteres Management der stets beträchtlichen Mengen an eingeführtem Getreide. Durch den Rückgang der saisonalen Preisdifferenzen war das Projekt obsolet geworden. Daß der Lagerraum angesichts der Leerstände auch von größeren Bauern genutzt wurde, war unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig, hätte aber organisatorischer Änderungen bedurft; statt dessen kam es zu Fehlallokationen in Form von Korruption, Günstlingswirtschaft und internen Querelen, so daß die Schweizer Regierung 1995 ihre Förderung einstellte.

Bei einem derartigen Fehlschlag stellen sich viele Fragen. Eine ist, ob das Projekt unter den ursprünglichen Prämissen ein Erfolg hätte werden können. Dies erscheint durchaus vorstellbar, denn bei hohen saisonalen Preisunterschieden garantiert Lagerhaltung, wenn sie finanziert werden kann, höhere Erzeugereinkommen. Es ist aber fraglich, ob der Bau eigener Lagerhäuser ausgereicht hätte, die lokalen Nachfrage-Monopole der Händler zu brechen. Wirtschaftliche Fragen, wie das hier angesprochene Problem der Vermarktung von Agrarprodukten, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Arbeit. Auch über das Projekt, das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Umfeld und die Projektregion(en) wäre es interessant, mehr zu erfahren.

Die Trierer Dissertation entstand, so der Autor in seinem Vorwort, in Sprüngen. Daran mag es liegen, daß die einzelnen Teile etwas unverbunden und auch von unterschiedlicher Qualität sind. Terminologische Unsicherheiten und Wertungen beeinträchtigen den Gesamteindruck, wie überhaupt die Arbeit durch eine intensivere redaktionelle Betreuung gewonnen hätte. So betreffen die wiederholt und zum Teil mit großer Ausführlichkeit vorgetragenen Beobachtungen über den Austausch von Freundlichkeiten und Belanglosigkeiten oder das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Untergebenen vor allem das Verhältnis des Projektmanagements gegenüber den Kleinbauern einerseits und gegenüber den ausländischen Beratern andererseits. Nur gelegentlich geht es um die Interaktion der ausländischen Berater mit den Kleinbauern. Sie dürfte vor allem davon abhängen, inwieweit die ausländischen Berater Landessprache und lokale Dialekte beherrschen. Die gerügten vielen Tee-Einladungen sind nämlich eine Frage der Höflichkeit, auch die ungewohnten Fragen nach familiären Angelegenheiten: Man kann ihnen ausweichen und zwar umso besser und umso leichter, je öfter man sich sieht und je besser man sich kennt und versteht. Daß gutgemeinte egalitäre Gesten des Gastes, der auf eine bevorzugte Behandlung (Stuhl) verzichtet, zuweilen mehr Probleme schaffen als lösen, ist eine Beobachtung, der man zustimmen kann. Weniger überzeugend ist die Klage darüber, daß Händler versuchen, Waren teurer zu verkaufen als sie sie eingekauft haben (S. 82), oder daß waterlords höhere Betriebskosten durch entsprechende Preise ("Preispolitiken") auffangen wollen, zumal kein gesellschaftspolitisches Gegenmuster gezeichnet wird. Immer wieder stören auch allzuwörtliche Übersetzungen aus dem Englischen dort, wo es etablierte deutsche Fachbegriffe gibt. Abgesehen von diesen Einschränkungen enthält die Arbeit eine Vielzahl von Lehren und Einsichten, die bei Entwicklungsprojekten genützt werden können. Es bleibt zu hoffen, daß die Ergebnisse der Studie ins Englische oder ins Bengali übersetzt werden, damit sie in Bangladesch diskutiert werden können.



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